Ist Neu auch immer Besser?

Von Innovation und neuen Technologien

Vielleicht erkennen auch Sie sich wieder: Wenn es darum geht, neue Technologien oder auch neue Denkansätze anzunehmen, tun wir uns Menschen immer wieder schwer. Warum sollte das Neue auch besser sein? Ist es nicht noch zu früh? Sollen die anderen doch ausprobieren…

Ich selbst gehöre zu den Menschen, die fest daran glauben möchten, dass „Neu“ immer „besser“ ist – daher bin ich vermutlich nicht der Richtige, um diese Frage zu beantworten. Und trotzdem versuche ich es. Und zwar aus der Perspektive von drei verschiedenen Menschentypen:

Typ „Sagte ich es doch“

Zu diesem Typen gehöre ich – meistens: Du hattest die ganze Zeit recht. Das Ding, auf das Du gewartet hast, ist hier. Und Du bist glücklich, dass Du zu den ersten gehörst, welche dieses Ding bereits ausprobiert haben.

Typ „Ok, dann halt…“

Dieser Typ bemerkt, dass alle „coolen“ Menschen das neue Ding benutzen: Schau Dir doch all die Leute an, die schon an Bord sind. Dieses Thema war Dir nie so wichtig. Aber jetzt musst Du Dich damit auseinandersetzen.

Typ „Tja, bleibt mir wohl nichts anderes übrig“

Dieser Typ bemerkt, dass er mit seiner Beurteilung wohl falsch lag: Aber mach Dir keine Sorgen, hier ist ein Ausweg: Ich weiss, Du hast gesagt, das würde nie funktionieren. Aber es funktioniert. Die gute Nachricht ist, dass Du jetzt allen erzählen kannst, dass Deine neue Aufgeschlossenheit Dich jetzt weiter bringt. Und dass Du daraus gelernt hast und Dich weiterentwickelst.

Welchem dieser Typ Menschen Sie entsprechen, entscheiden Sie für sich. Alle drei Typen haben Recht in ihrem Denk- und Angstsystem und fühlen sich bestätigt.

Der einzige Typ Mensch, den Sie möglichst vermeiden sollten, ist der Typ „Schade, hätte ich doch nur…“. Und da sind sich die anderen drei Typen einig.

Natürlich spielt die Frage, welcher Typ wie schnell und warum neue Technologien ausprobiert, nicht nur im Privaten eine Rolle. Weil die Akzeptanz einer neuen Technologie für deren erfolgreiche Durchsetzung und Marktbeherrschung so wichtig ist, wird diese Problematik bereits seit über 100 Jahren intensiv erforscht. Beachtenswert sind die 1962 von Everett M Rogers in seinem Buch über die Diffusionstheorie von Innovationen beschriebenen fünf verschiedenen Verbrauchertypen:

Bild-Innovation-Adoption-Lifecycle

Die Typen im Überblick

Weil er so selten ist, kommt der Innovator selten vor – schliesslich ist er weniger Verbraucher und vielmehr Versuchskaninchen. Oft eng mit den Erfindern und Erstentwicklern befreundet, testet dieser Typ noch unausgereifte Produkte und fällt dabei natürlich öfter auf die Nase.

Für den Hersteller richtig interessant wird es erst mit dem zweiten Typ – die Frühanwender oder Early Adopters. Sie sind neugierig und risikobereit – genau wie die meisten Unternehmer und Führungskräfte. Deshalb sind wir auch oft die ersten in unserem sozialen Kreis, die ein neues Produkt benutzen. Und wir beeinflussen die anderen, die an unserer Reaktion sehen können, wie toll dieses neue Ding doch ist.

Das ermutigt die frühe Mehrheit, also den Anteil der Verbrauchermehrheit, der den Sprung noch vor der breiten Masse wagt, aber durch seinen Sprung auch die breite Masse wachsen lässt.

Und diese breite Masse ist die späte Mehrheit, die eben doch wartet, bis sie weiss, dass dieses neue Ding sich tatsächlich lohnt.

Die letzte Verbrauchergruppe in dieser Typologie, das sind die Nachzügler, die sich ein neues Ding eben erst kaufen, wenn das alte total kaputt ist. Und dann natürlich feststellen müssen, dass das neue Ding so viel besser ist, dass sie sich wünschen doch schon viel früher…

Übrigens gehört kaum jemand in allen Lebensbereichen zum selben Verbrauchertyp – manche Unternehmer sind brennend an allen technologischen Erneuerungen interessiert und adoptieren das neueste Handy, den cleversten Computer oder das beste Elektroauto so bald wie möglich,

Die einen wollen die allerersten sein, die ihren Kunden topaktuelle Angebote machen können. Die anderen wollen im Betrieb lieber erstmal abwarten, ob sich eine neue Technologie mit hohem Anschaffungspreis auch bezahlt machen wird.

Weil sich Innovationen praktisch nur durchsetzen, wenn die Early Adopters davon überzeugt sind, spielt diese Gruppe eine besonders wichtige Rolle. Aber um den Markt zu beherrschen, braucht man mehr als nur ein tolles Produkt – die Kommunikation muss stimmen. Zuerst müssen die Frühanwender erreicht werden, dann die breite Masse. Das bedeutet auch verschiedene Marketingstrategien – Mund-zu-Mund-Werbung und die Beispielwirkung früher Nutzer ist am Anfang zum Beispiel wesentlich effektiver als eine breite Werbekampagne.

Natürlich braucht die Verbreitung einer neuen Technologie auch einfach nur Zeit, denn die Frühanwender werden als Meinungsführer erst dann effektiv, wenn sie das neue Ding ausprobiert und für gut erklärt haben.

Letztendlich ist auch das richtige soziale und gesellschaftliche Umfeld wichtig – also Mundwerbung ebenso wie Radio- oder Fernsehwerbung, Diskussion in sozialen Medien ebenso wie im persönlichen und beruflichen Umfeld, aber auch Toleranz vom Gesetzgeber (denn wenn das neue Ding von der Regierung verboten wird, ist es eher unwahrscheinlich, dass es sich durchsetzen wird).

Und wenn Sie so wie ich zum Frühanwender-Typ gehören, lassen Sie sich nichts vormachen: nicht jedes Ding hält was es verspricht.

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Beitrag von Marcel Burkart

Inhaber und Geschäftsführer der Unternehmerschule