Digitalisierung: Nutzen Sie die Ruhe vor dem Sturm

Wer die Zeichen der Zeit erkennt, nutzt die sich ergebenden Chancen.

Bis vor nicht all zu langer Zeit orientierten wir uns an Tageszeitungen und anderen gedruck­ten Medien, um Neuigkeiten aus der Welt zu erfahren. Das persönliche Kontaktnetzwerk war säuber­lich auf einem Berg von Visitenkarten geordnet. Und die Grösse des eigenen Wissens liess sich am prall gefüllten Bücherregal zeigen.

Jeder spricht heute von Digitalisierung. Aber wie macht man das? Was bedeutet das für mein Unternehmen? Mit den nachfolgenden einfachen Schritten und Handlungsanweisungen bereitet jeder sein Unternehmen auf die kommenden Veränderungen vor.

Heute erfolgt nach dem Aufstehen ein schneller Nachrichten­ Überblick via Smartphone, dann ein kurzer E­Mail­-Check und tagsüber bis zum Schlafengehen wird gebloggt, getweetet und auf zahlreichen sozialen Plattformen gesurft. Nicht nur Sie fragen sich, wer denn die fast sechs Millionen deutschsprachigen Wikipedia­ Artikel schreibt. Die neue Generation von Mitar­beitenden und Kunden ist mobil mit Social Media aufgewachsen und hat sich an praktische und günstige digitale Mehrwerte gewöhnt.

Der digitale Tornado

Seit einiger Jahre weht in der Schweizer Wirtschaft ein «digitaler Tornado». Angefangen bei der Musikindustrie findet man heute fast keinen Wirtschaftszweig mehr, bei dem nicht irgendwelche Internetplattformen und mobile Applikationen ihr «digitales Unwesen» treiben. Viele Autoren und Autorinnen beschwören eine ähnlich tiefgreifende Veränderung der Wirtschaft und der Gesellschaft durch die Digitalisierung wie es zuletzt durch die indus­trielle Revolution nach der Erfindung der Dampfmaschine in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts geschah.

Aber Veränderungen sind nicht nur Risiko, son­dern oft auch eine Chance. Gemäss der Studie «Digital Switzerland 2018» sehen über 50 % aller Schweizer Unternehmen den digitalen Wandel in den nächsten ein bis zwei Jahren als erfolgskritisch für ihr Unternehmen. Gleichzeitig qualifiziert die Studie nach wie vor 85% der Unternehmen als „digitale Dinosaurier“.

«Am erfolgreichsten sind nicht die Grössten oder Intelligentesten, sondern diejenigen welche sich am ehesten dem Wandel anpassen können», meinte Charles Darwin. Für die meisten ist der «digitale» Wandel eine Unterstützung, wenn er hilft den Umsatz zu steigern oder zumindest die Kosten zu reduzieren sowie unnötige Arbei­ten vereinfacht oder gleich automatisiert. Die nachfolgenden fünf Schritte helfen jedem KMU, sich auf den Wandel vorzubereiten und die kommenden Veränderungen als Chance erfolgreich zu nutzen.

Die ersten fünf Schritte Richtung «Unternehmen Zukunft»

Erster Schritt: Schreiben Sie Ihre digitale Vision auf ein Blatt Papier

Das mag jetzt etwas «undigital» klingen, aber nehmen Sie ein Blatt Papier und schreiben Sie in grossen Buchstaben Ihre eigene digitale Vision auf.

Wohin wollen Sie? Ist ihre Vision «das paperless office» oder doch eher ein «less paper office»?

Ihre Vision kann auch Ihr Geschäftsmodell umfassen: «Unsere Firma wird zum führenden Anbieter von digitalen Angebo­ten» oder auch ganz einfach: «Bis 2022 werden zwei Drittel unserer Neukunden über unsere Internetseite zu uns gelangen.»

Sehen Sie den digitalen Wandel als Herausfor­derung und seien Sie in Ihrer Vision mutig. Am erfolgreichsten sind die Visionen, welche über den reinen «operativen» Nutzen hinausgehen: Integrieren Sie die Gestaltung der Kunden­beziehung, Ihre Unternehmenskultur, die Füh­rung und Organisation des Unternehmens oder neue Produkte und Geschäftsbereiche in Ihre Vision. Damit stärken Sie die Innovationskraft Ihres Unternehmens.

Die Vision soll «Sinn stiftend» sein, damit Ihre Mitarbeitenden sich dahinter stellen können. Sie wird damit zur treibenden Kraft für jegliche Anpas­sungen. Als erfolgreicher Unternehmer oder Unternehmerin wissen Sie, dass Ihre Vision zu den stärksten Kräften in Ihrem Unternehmen zählt. Nutzen Sie diese Kraft und kreieren Sie auch für ihr «Unternehmen Zukunft» eine Vision.

Zweiter Schritt: Beobachten Sie Ihre aktuelle Situation

Wenn Ihre Vision steht und einen prominenten Platz in Ihrem Büro eingenommen hat, werden Sie sich laufend automatisch mit Ihrer aktuellen Situation auseinandersetzen. Wo sind ihre grössten betrieblichen Herausforderungen? Welche Abläufe stören Sie am meisten? Solche Fragen werden Ihnen jetzt immer mehr durch den Kopf schiessen.

Sortieren Sie Ihre Beobachtungen anhand vier verschiedener Digitalisierungsbereiche:

Digitalisierung in einem KMU
  • Interaktion mit dem Kunden
    Wie erleben Kunden Ihre Website? Wissen Sie, wer Ihre Website besucht? Haben Sie von unterwegs Zugriff auf alle Ihre Kundendaten? Nutzen Sie soziale Netzwerke zur Verbreitung Ihres Angebotes?
  • Vereinfachung und Automatisierung von Abläufen
    Oft liegen die Dinge vor den Augen, aber man sieht sie trotzdem nicht. Wie viel Zeit dauert es in Ihrem Unterneh­men, bis alle Mitarbeitenden ihre Spesenzet­tel ausgefüllt haben und diese durch die Finanzabteilung verarbeitet sind? Arbeiten Sie manchmal von zu Hause aus und vermis­sen wichtige Dokumente, weil Sie vergessen haben, diese auf den Laptop oder den USB­ Stick zu kopieren? Wie lange müssen Sie am Monatsende warten, bis Sie Ihre Finanz­kennzahlen auf dem Tisch haben?
  • Verhalten von Mitarbeitenden und Führungskräften
    Die Kultur Ihres Unter­nehmens ist ein zentraler Wettbewerbsfak­tor. Dies gilt auch für die kommenden digita­len Herausforderungen. Beobachten Sie Ihr Team. Arbeiten die Teammitglieder gerne von zu Hause aus? Können sich Arbeits­gruppen schnell und unkompliziert austau­schen und haben die wichtigen Informatio­nen sofort zur Hand? Wie bringen sich junge Menschen in laufende Diskussionen ein? Verfügen Führungskräfte über zentrale Sta­tusberichte aller laufenden Projekte?
  • Neue Ideen für Produkte und Geschäfts­felder
    Wie geht Ihr Unternehmen mit Vor­schlägen und Ideen aus der Belegschaft oder von Kunden um? Was macht die Konkurrenz? Gibt es ähnliche Industrien oder Lieferanten, welche in den letzten Jah­ren Erfahrungen mit neuen Technologien gemacht haben? Manchmal lohnt sich auch ein Blick über den Teich oder in den Osten: Gibt es andere Unternehmen, welche «einen Schritt» voraus sind?

Dritter Schritt: Setzen Sie klare Prioritäten

Nicht alle Beobachtungen, Anregungen und Ideen lassen sich sofort umsetzen oder machen Sinn. Leiten Sie deshalb klare Ziele ab, basie­rend auf Ihrer «digitalen» Vision. Wählen Sie maximal zwei der folgenden Zielkategorien: Umsatzsteigerung, Kostensenkung, Qualitäts­verbesserung, Optimierung der Arbeitsabläufe, Entwicklung der Organisation. Dabei empfiehlt es sich, von den Kunden her zu denken und die Prioritäten am «zusätzlichen Kundenfranken» auszurichten. Dies garantiert eine nachhaltige Digitalisierungsstrategie.

Vierter Schritt: Setzen Sie schnell erste Massnahmen um

Visionen ohne Aktionen bleiben Träume. Sorgen Sie in Ihrem Unternehmen für ein Gefühl des Aufbrechens, des Vorangehens. Indem Sie die folgenden Tipps zügig umsetzen, zeigen Sie, dass Sie es mit dem Wandel ernst meinen und bilden ein Vorbild für Ihre Mitarbeitenden.

Hier finden Sie konkrete Massnahmen, welche Sie schnell umsetzen können:

Fünfter Schritt: Bleiben Sie offen für Ideen und lassen Sie sich von Ihrem Umfeld inspirieren

Digitalisierung ist ein fortdauernder Prozess, welcher vorerst wohl nicht enden wird. Seien Sie deshalb offen für neue Ideen, reihen Sie diese in den Beobachtungsraster von Schritt zwei ein und stimmen sie die Ideen mit Ihren Prioritäten ab. Quellen von neuen Ideen können neben den Medien auch ihr Netzwerk, neueintretende Mit­arbeitende oder ihre Konkurrenz sein.

Solange Sie Ihre digitale Vision vor Ihrem geis­tigen Auge tragen, werden neue Ideen nicht weit sein. Lassen Sie sich inspirieren. Ziehen Sie Ihre Kinder zur Hilfe. Suchen Sie Ihr erstes eigenes Pokémon. Spielen Sie mit Ihrem Smartphone. Probieren Sie neue Apps aus und lernen Sie die Welt kennen, in der die neue Generation auf­wächst. Ihre zukünftigen Mitarbeitenden wer­den es Ihnen mit Loyalität und einer neugierigen Kreativität danken.

Warum eigentlich?

Sie haben Ihren Mitarbeitenden gezeigt, dass Digitalisierung keine Schmerzen verursacht und sind mit gutem Vorbild neugierig und mutig in die neue Welt gezogen. Was haben Sie erreicht? Warum ist die neue Welt besser als die alte?

Eines hat schon die Industrialisierung vor 200 Jahren gezeigt: Auch wenn der Wandel nicht einfach ist, er wird nicht aufhaltbar sein. Sehen Sie die Digitalisierung deshalb als Chance und versuchen Sie, für sich und Ihr Unternehmen das Beste daraus zu machen. Sie stärken damit die Innovationskraft Ihres Unternehmens und sind bestens vorbereitet auf den Sturm – ob und in welcher Form auch immer er kommen wird.

Nutzen Sie die Ruhe vor dem Sturm. Beobachten Sie die Veränderungen mit offenen Augen und einem wachen Geist. Wir alle spüren die Lüftchen des digitalen Tornados – niemand weiss, wann er über den eigenen Vorplatz fegt. Nutzen Sie deshalb die Zeit. Planen Sie voraus. Bringen Sie Ihr Unternehmen auf Trab und bereiten Sie es mit diesen einfachen Tipps auf die kommenden Ver­änderungen vor. Der Rest wird von alleine folgen.

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Beitrag von Marcel Burkart

Inhaber und Geschäftsführer der Unternehmerschule